Die Rohrpost der Salzgitter Flachstahl als Förderer von Proben und schneller Stahlwerksanalytik

06.07.2022 | Salzgitter Flachstahl GmbH


Die Rohrpost auf dem Werksgelände der Salzgitter Flachstahl bietet die Möglichkeit eines schnellen Transports von Proben mit Luft als Antrieb. Es handelt sich dabei um ein etwa zwölf Kilometer langes Netzwerk aus unter- und oberirdischen Rohrleitungen, durch die täglich ca. 1000 - 1200 Roheisen-, Rohstahl-, Stahl- oder Schlackeproben von mehreren Betrieben zur Analytik ins Zentrallabor befördert werden. Die Ermittlung der chemischen Zusammensetzung kann im Zentrallabor unter höchsten Qualitätsansprüchen gewährleistet werden. Gleichzeitig ist eine kurze Antwortzeit für den produzierenden Metallurgiebetrieb essenziell. Somit ist für Stahlwerke, die oft über riesige Werksgelände verfügen, ein schneller Probentransport über die Rohrpostanlage von enormer Bedeutung.
Interne Unterlagen zeigen, dass sich die Geschichte der Rohrpost bei der Salzgitter Flachstahl bis in die 1940er-Jahre zurückverfolgen lässt. Im Gegensatz zu heute wurde sie damals sowohl als Probentransportmöglichkeit als auch als Postsystem genutzt, mit dem Briefe, Telegramme oder Dokumente innerhalb eines Gebäudes oder zwischen verschiedenen Gebäuden verschickt wurden.
Eine Rohrpostanlage besteht aus mehreren Hauptkomponenten: Drehkolbengebläsen, Transportbehältern für die zu befördernden Güter und einem Netzwerk aus Rohrleitungen.

Drehkolbengebläse

Die Beförderung einer Probe im Rohrpostnetzwerk beruht auf dem Antrieb mit Luft. Die Drehkolbengebläse, oder auch Luftverdichter genannt, erzeugen einen Luftdruck und/ oder Luftsog innerhalb der Rohrleitung. Dadurch wird der Transportbehälter mitsamt der Probe in Bewegung versetzt. Bei der Salzgitter Flachstahl werden Proben mit Geschwindigkeiten von bis zu 70 km/h durch die Rohre befördert.

Transportbehälter

Das Transportbehältnis, auch Rohrpostbüchse genannt, dient zum Transport des Materials (Abbildung 1). Die Büchse ist 21 cm lang und besteht aus einem zylinderförmigen Aluminiumgehäuse mit Lüftungslöchern zur Kühlung heißer Proben. Diese können beim Absenden noch Temperaturen von bis zu 900 °C aufweisen. Auf einem Messing- und einem Kunststoffgleitring wird die Büchse durch die Rohrleitung bewegt. Mit einem Durchmesser von 7,2 cm ist sie damit nur geringfügig kleiner als der Innendurchmesser der Rohre (⌀ = 7,5 cm), sodass gerade noch Luft vorbeiströmen kann. Zur Verminderung des Schlupfes und zur Erhöhung der Geschwindigkeit ist zudem ein Treiberring am Gleitring angebracht.

Die Büchse wird von den Mitarbeitern der metallurgischen Betriebe am Kappenzieher geöffnet und mit der Probe befüllt. Je nach Probenart unterscheiden sich das Inlett und die Farbe der Büchse (Roheisenprobe = blau, (Roh-) Stahlprobe = rot, Schlackeprobe = grün). Durch die Ausstattung des Kunststoffgleitrings einer jeden Rohrpostbüchse mit einem Transponderchip erfolgt die automatische Erkennung der Büchsenart vom System. Um den Probendurchsatz weiter zu erhöhen, wurden Büchsenspeicher vor der Empfangsstation verbaut. Somit ist ein gleichzeitiges Senden und Empfangen mehrerer Büchsen möglich.

Rohrnetzwerk

Das 12 Kilometer lange Netzwerk auf dem Werksgelände enthält vier Rohrlinien mit Hin- und Rücksendeleitungen (siehe Abbildung 2). Diese verbinden folgende Produktionsbereiche mit dem Zentrallabor: Hochöfen, Blasstahlwerk mit Roheisenentschwefelung und Konvertern, Sekundärmetallurgie mit Vakuum-Pfannenofen-Legierungsanlagen (VPL) und Ruhrstahl-Heraeus (RH)-Anlagen sowie Stranggießanlagen. Durch die Aufteilung in vier Linien kann der Durchsatz von Rohrpostbüchsen erhöht werden, da der Transport mehrerer Büchsen ins Labor gleichzeitig erfolgt. An den 13 sogenannten Sendestationen im Produktionsbereich werden die mit der Probe befüllten Büchsen eingelegt und durch das Betriebspersonal ins Zentallabor geschickt. In einer der vier Empfangsstationen im Labor angekommen werden die Büchsen durch einen Roboter entleert und abschließend über die Rücksendeleitung zurück in den Betrieb befördert. Durch die Erkennung der Büchsenart über den Transponderchip wird die für die Probenart vorgesehene Probenvorbereitung und Analyse (optische Funkenemissionsspektrometrie, Röntgenfluoreszenzspektrometrie oder Verbrennungsanalyse) eingeleitet.

Zusammengefasst ist der Rohrposttransport also nicht nur mit einer hohen Zeitersparnis verbunden, da ständige Botengänge vermieden werden, sondern auch ein enorm wichtiger Bestandteil der Qualitätssicherung bei der Salzgitter Flachstahl. In Minutenschnelle hat der sendende Betrieb die Laboranalyse mit höchster Qualität einer Schmelze vorliegen, um sie unter anderem mit Soll-Werten abzugleichen und wenn notwendig nachzulegieren. Die seit Jahrzehnten existierende Rohrpost ist somit noch immer ein modernes Instrument, das aus dem Alltag der Hütte nicht wegzudenken ist.