Logistik Interview für die Insight der Haeger & Schmidt Logistics GmbH

20.05.2022 | Salzgitter Flachstahl GmbH


„Viel Platz und Komfort für empfindliche Coils“

Die Salzgitter Flachstahl wickelt langjährig viele Verkehre über das Terminal von Haeger & Schmidt Logistics (HSL) in Duisburg ab. Seit dem Ausbau zum Stahl-Logistik-Hub kann das Unternehmen einen größeren Teil der Supply Chain mit HSL abdecken. Im Interview erläutert Fabian Gerdes, Leiter Kundenlogistik bei Salzgitter Flachstahl, was sich seitdem verändert hat.

Welche Rolle spielt die Stahlinsel Duisburg für die Logistik von Salzgitter Flachstahl?
Die Stahlinsel ist traditionell ein wichtiger Umschlagpunkt für viele unserer Produkte wie Profilstahl, Grobbleche und Coils. Insbesondere für die Automobilindustrie spielt die Stahlinsel eine wichtige Rolle als Drehscheibe im Bereich Shortsea, über die wir unseren Stahl mit HSL-eigenen Linienschiffen Richtung England transportieren, bislang allerdings mit begrenzten Lagerkapazitäten.  
Durch das neue Terminal werden die Möglichkeiten der Nutzung erheblich erweitert. Seit der Fertigstellung der temperaturgeführten Halle können wir dort auch empfindliche Stahlcoils ohne schützende Exportverpackung abwickeln. Durch die neu geschaffenen Kapazitäten ist die Stahlinsel außerdem für uns als Lagerstandort in Form eines Hubs nutzbar. Aus diesen neuen Rahmenbedingungen resultiert eine Mengensteigerung von 25.000 t jährlich, die wir nun zusätzlich über Duisburg in den Export bringen.

Ergeben sich hieraus auch neue logistische Dienstleistungen?
Neben den klassischen Dienstleistungen, wie der trimodale Umschlag zwischen Binnenschiff, Bahn und Lkw, sind seit der Halleneröffnung einige neue Tätigkeiten hinzugekommen. Hierzu gehören unter anderem das Containerstuffen und der Vorlauf zu verschiedenen Seeterminals für den weltweiten Export, die Zwischenlagerung von witterungsempfindlichen Stahlprodukten und die termingerechte Zustellung an unsere Kunden mit den verschiedenen Verkehrsträgern Bahn, Binnenschiff und Lkw.

Inwieweit hat das Stahl-Logistik-Hub Einfluss auf Ihre Logistikprozesse?
In unserem Hüttenwerk in Salzgitter produzieren wir nahezu 365 Tage im Jahr rund um die Uhr. Daraus resultiert ein extrem hohes Produktionsvolumen, wobei die Kapazität unserer eigenen Läger nur auf den Produktionsausstoß von wenigen Tagen ausgelegt sind. Durch die neue Halle haben wir eine Zwischenlagermöglichkeit gewonnen, die in Verkehrsrichtung liegt und so das zusätzliche Handling unserer Produkte minimiert. Besonders attraktiv ist für uns, dass wir diesen Standort mit unserem eigenen Zug-System SLOT, unabhängig vom Einzelwagensystem, anfahren können. Die Abkürzung „SLOT“ steht für Salzgitter-Logistik-Transport. Das System besteht aus bis zu drei Zügen täglich, die ins Ruhrgebiet und Richtung Karlsruhe fahren und als eine Art Milk-Run zu verstehen sind, bei dem die anzusteuernden Äste täglich flexibel variieren. Der Zug ins Ruhrgebiet verzweigt sich in verschiedene Äste mit direkten Kundenbelieferungen, Lagermöglichkeiten und Rohstoffverkehren. Jeder neue Ast, den wir an das System andocken können, erhöht die Flexibilität und die kontinuierliche Entsorgung unserer Hütte.

Bitte nennen Sie ein Bespiel, warum Hub- und Lagermöglichkeiten an Bedeutung gewinnen?
Mit der neuen Möglichkeit der Zwischenlagerung müssen wir nicht darauf warten, bis unsere Kunden die Stahlcoils abrufen oder das Closing im Seehafen kurz bevorsteht. Sobald das Material versandbereit ist, transportieren wir es in die Stahlhalle nach Duisburg – und durch unser System ganz flexibel. Damit sind wir der Nachfrage einen entscheidenden Schritt voraus. Denn wir stehen aktuell vor dem Problem, dass wir aufgrund der angespannten Situation auf dem Transportmarkt keine verlässlichen Lieferzeiten mehr haben, wenn der Kundenabruf eingeht. Durch das vorzeitige Auslagern der Ware treten wir in Vorleistung und gewinnen Zeit.
Ein weiterer Vorteil ist, dass wir die Stahlinsel mit unserem eigenen SLOT-System anfahren dürfen. Durch das eigene Equipment sind wir in diesem Abschnitt der Lieferkette unabhängig von Drittanbietern, vermeiden weitere Schnittstellen sowie Umschlagpunkte und sind damit deutlich resilienter.

Worauf legen Sie bei der Logistik für Ihre Stahlprodukte Wert?
Wir legen großen Wert auf langfristige und vertrauensvolle Partnerschaften, sowohl in Bezug auf unsere Kunden als auch unsere Dienstleister. Auf dieser stabilen Basis können wir gemeinsam daran arbeiten, die Logistikprozesse zu optimieren. Wichtige Qualitätsaspekte sind für uns Termintreue und Zuverlässigkeit. Zusätzlich stehen ein hoher Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad im Fokus sowie die Nachhaltigkeit und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit.

Welche Bedeutung hat das Thema Nachhaltigkeit in Bezug auf die Stahllogistik?
Wir arbeiten daran, unseren CO2-Ausstoß mit dem Programm SALCOS® - Salzgitter Low CO2 Steelmaking mittel- und langfristig um mehr als 95 Prozent zu reduzieren. Wir streben also eine nahezu klimaneutrale Stahlproduktion an. Dazu gehört auch eine nachhaltige und klimaneutrale Logistik. Speziell in diesem Segment haben wir den Anspruch, Vorreiter zu sein und setzen, wenn irgend möglich, auf die Verkehrsträger Bahn und Binnenschiff. Schon heute haben wir beispielsweise einen Bahnanteil von 80 Prozent in der Versandlogistik ab unserer Hütte in Salzgitter. Unser mittelfristiges Ziel ist ein Anteil von 85 Prozent. Mehr ist aus heutiger Sicht nicht möglich, da nicht zu allen Destinationen Gleise führen oder die Mengen zu gering und Bahntransporte dadurch unwirtschaftlich sind. Aber grundsätzlich ist die Bahn die erste Wahl. Denn allein mit einem Zug sparen wir etwa 100 Lkw-Ladungen. Neben dem Umweltaspekt ist auch der Engpass aufgrund des zunehmenden Fahrermangels in den angestrebten Modal Split mit einzubeziehen. Deshalb setzen wir Lkw nur da ein, wo es keine Alternative gibt.

Wo sehen Sie weiteres Potenzial bei der Optimierung der Stahllogistik?
Aktuell besteht die Aufgabe darin, bestehende Prozesse am Laufen zu halten und das bei möglichst geringen Reibungsverlusten. Die Rahmenbedingungen sind durch den Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie schwierig. Weiter bestimmen gestörte Lieferketten, die angespannte Situation im Schienengüterverkehr, ein hohes Baustellenaufkommen und eine deutliche Verknappung der Transportmittel das Tagesgeschäft. Wir müssen uns davon verabschieden, in diesem Segment aus dem Vollen zu schöpfen. Logistikressourcen werden zum knappen Gut. Demensprechend ist eine engere Abstimmung zwischen den an der Transportkette Beteiligten gefordert, Transportströme müssen gebündelt und Ressourcen besser ausgelastet werden. Kurzum: Die Logistik muss transparenter und effizienter werden. Auch die Lagerhaltung wird stärker in den Fokus rücken und bisherige Just-in-time und Just-in-Sequence-Konzepte ablösen oder mindestens ergänzen.

Das komplette Interview finden Sie in der Sonderausgabe Insight der Haeger & Schmidt Logistics GmbH.