Der Profile-Profi

17.06.2020 | Salzgitter Flachstahl GmbH


Ganz gleich, wo Sie sich gerade befinden: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie einem von Welser geformten Stahlprofil in diesem Moment ganz nahe sind, ist relativ groß. Die Profile sind verbaut in Haus, Büro und Auto, in vielen Gerätschaften und Bauten unseres Alltags – von den Führungsschienen in Schubladen bis hin zu den Tragrahmen in Lkw und Eisenbahnwaggons. Das Unternehmen mit Hauptsitz im niederösterreichischen Ybbsitz und einer deutschen Produktionsstätte in Bönen bei Unna ist führender Hersteller von Sonderprofilen und -baugruppen in Europa.
Die Geschichte des Familienunternehmens begann 1664 mit einer Pfannenschmiede. Seit 1960 fertigt Welser Profile am Gründungsstandort ­Ybbsitz rollgeformte Stahlprofile – anfangs vor allem für den Baubereich – und seit den frühen 1980er-Jahren auch längsnahtgeschweißte Sonder­profilrohre. Heute leiten Thomas und Andreas Welser das Unternehmen in elfter ­Generation – zusammen mit Christian Hansl und Nicolas Longin. In den weltweiten Verkaufsniederlassungen, den drei Produktionsstätten in Österreich und Deutschland sowie dem Produktionsstandort in den USA sind rund 2.500 Mitarbeiter tätig.
Die Historie, die starke und lange Bindung der Familie Welser an ihr Unternehmen und dessen Größe kennzeichnen es als mittelständisch – un­abhängig davon, welche Definition man anlegt. Doch auch die Nähe zu Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern ist gegeben und ist bei einem Besuch am Produktionsstandort Bönen allgegenwärtig.

Jörn Miklas, Leiter Supply Chain Management bei Welser Profile, begrüßt seine Gäste der Salzgitter Flachstahl herzlich: Ines Guhr, Teamleiterin im Verkauf, und Dr. Ralf Koch, Prokurist und Verkaufsleiter. Man kennt sich seit vielen Jahren, der Kontakt ist eng, die Kommunikationswege sind kurz. „Für uns ist eine Fahrt nach Bönen so ähnlich wie ein Besuch bei sehr guten Bekannten“, sagt Ines Guhr.
Jörn Miklas ist für die Materialbeschaffung ­verantwortlich und somit auch für den Stahleinkauf. Zu den wichtigsten Lieferanten gehören die Salzgitter Flachstahl und der Salzgitter Stahl­handel. Die Geschäftsbeziehungen werden seit mehr als 20 Jahren gepflegt und reichen so weit zurück, dass sich niemand der heute Verantwortlichen so richtig an die Anfänge zu erinnern vermag.
Über die Jahre entstand dabei jene Nähe, die für den Mittelstand so prägend und wichtig ist und die viele Geschäftsprozesse vereinfacht. Selbstverständlich ist eine solche Entwicklung nicht, insbesondere wenn die Rahmenbedingungen etwas anderes vermuten lassen könnten. „Doch wir nehmen die Salzgitter AG nicht als ein Großunternehmen mit undurchsichtigen Strukturen wahr, sondern begegnen uns quasi auf Augenhöhe“, sagt Jörn Miklas. „Wir kennen unsere Ansprechpartner bei Salzgitter und wissen, dass wir uns jederzeit an sie wenden können. Und bislang haben wir immer gemeinsam eine Lösung gefunden.“
Was nicht bedeutet, dass die Geschäftsbeziehung zwischen Welser Profile und der Salzgitter AG nicht noch weiter optimiert werden könnte. Insbesondere eine wichtige Aufgabe sieht Jörn Miklas auf beide Partner in naher Zukunft zukommen: Die Digitalisierung der Distribution, der Beschaffung und weiterer Prozesse muss vorangebracht werden. Man könnte auch sagen: Beide Partner müssen sich noch weiter einander annähern – auch um die Herausforderungen der Zukunft in Sachen digitalisierter Prozesse zu bewältigen. „Hier sind aber beide Partner auf einem guten Weg und optimistisch, bald gemeinsam entsprechende Fortschritte erzielen zu können“, sagt Dr. Ralf Koch.

Die Digitalisierung ist auch deshalb wichtig, weil Welser Profile keine Standardprofile, sondern Maßlösungen nach Kundenvorgaben produziert. Diese Sonderprofile und ihre komplexen Querschnitte lassen die Arbeit und Sorgfalt erahnen, die für ihre Planung und Herstellung notwendig sind. Während der gemeinsamen Produktentwicklung kommen neben dem Know-how von Welser in der Profilfertigung und der Werkzeugkonstruktion deren Erfahrung mit den Werkstoffen zum Tragen. „Wir wissen, welche Stähle sich für welche Zwecke eignen“, sagt Jörn Miklas. „Unsere Stärke liegt in unserer Fantasie im Umgang mit Stahl und in unserer Fähigkeit, mit dem Kunden Lösungen zu finden.“ Zu dieser Kompetenz gehört es, den passenden Stahl zu benennen und auch zu beschaffen.
Angeliefert werden die Coils zu mehr als 80 % per Bahn. Die Waggons rollen direkt in das Coil­lager, das in Bönen unmittelbar an die Produktionshallen angrenzt. Die Spaltbänder werden zunächst vorgestanzt und dann in den Profilierstraßen Schritt für Schritt umgeformt – bis der gewünschte Profilquerschnitt hergestellt ist.
Diese Rollformung erfolgt durch Rollenwerkzeuge ohne Wärmeeinbringung. Sie sind ein wichtiges Betriebsmittel des Unternehmens. Ihre unternehmensinterne Entwicklung legte den Grundstein für dessen Erfolg in der jüngeren Geschichte. Welser Profile entwickelt und konstruiert die Werkzeuge selbst in seinem Stammwerk in Ybbsitz. Dank ihrer vielfältigen Formen und Qualitäten können diese Rollen in der Profilieranlage nach Belieben kombiniert werden, um einen gewünschten Querschnitt herzustellen. Es ist ein riesiger Baukasten, mit dem sich undenkbar viele Profilquerschnitte  herstellen lassen.
Im Werk in Bönen lagern Hunderttausende dieser Rollen auf etwa 10 m hohen Hochregalen. Eine ­logistische Herausforderung, denn nur der Computer weiß, wo sich welches Werkzeug befindet. Mit diesen Werkzeugen hat Welser Profile schon rund 23.000 verschiedene Profilquerschnitte ­produziert. Zurzeit kommen täglich etwa drei neue hinzu.

Die Bearbeitungsmöglichkeiten der Kaltumformung sind schier unerschöpflich. Um das gewünschte Profil zu erzielen, kann Welser die Metalle aber auch prägen, stanzen, biegen, schweißen, laserschneiden und mehr. Die gewünschte Wertschöpfungstiefe wird durch den Kunden definiert. So werden etwa im Werkzeugkompetenzzentrum am Standort in Ybbsitz auch komplexe Stanzwerkzeuge entwickelt und gebaut.
Um Konstruktion, Werkzeugbau, Instand­haltung und den eng getakteten Materialfluss kümmert sich an allen Standorten ein Team von Experten, die zu ihrem Unternehmen eine besonders enge Beziehung aufgebaut haben. Das ist in Bönen beim Gang durch die Produktionshallen fast mit jedem Schritt zu spüren. Man ist im ganzen Unternehmen grundsätzlich per Du, begrüßt sich mit einem Lächeln und freundlichen Worten, und der Blick senkt sich nicht, wenn ein Vor­gesetzter vorbeischreitet. „Wir haben hier flache Hierarchien“, bestätigt Jörn Miklas, während er mit zwei Kollegen aus der Produktion ein paar Scherze austauscht.
Es ist ein Moment der Nähe, die sich in vielen Facetten wiederfindet. So gibt es für die Mitarbeiter ein eigenes Fitnessstudio in Bönen, und alle zwei Jahre feiert man zusammen mit der Familie Welser ein großes Familienfest. Entsprechend gering ist die Fluktuation unter den Beschäftigten – obwohl sich die Belegschaft verjüngt: Rund 7 % aller Welser-Mitarbeiter sind noch in der Ausbildung. Welser Profile bildet bedarfsbezogen in allen für die Produktion relevanten Bereichen aus.
Denn in einem Unternehmen, das den Namen des Eigentümers trägt, ist dessen Verantwortung für die Mitarbeiter immer eine besondere. Das wird bei Welser Profile in einem subtilen und schönen Detail deutlich: Auf dem Gang zwischen Verwaltung und Produktion hängt ein Bild.
Erst aus der Nähe kann man erkennen, dass es sich um ein Foto-Mosaik handelt: Das Porträt des ehemaligen Chefs und jetzigen Aufsichtsrats setzt sich aus vielen kleinen Mitarbeiter­fotos ­zusammen. Der Chef als die Summe seiner Beschäftigten – auch so könnte man das Prinzip Mittelstand definieren.

Diesen und weitere Artikel finden Sie im STIL - Konzernmagazin der Salzgitter AG.